ZwischenZeitZentrale Bremen

Experimentierfreude am Fluss

Eintrag von am 23.07.2018

2018 07 23 Stadtteil Kurier Suedost 23 07 2018 1

Hemelingen. Rund 65 Unternehmen haben sich auf dem 110 Hektar großen Gewerbegebiet Hemelinger Hafen angesiedelt. Ausgerechnet dort wo eigentlich niemand Kunst und Kultur vermutet, ist seit Sommer 2014 das Projekt „Bay-Watch“ beheimatet. Zur Verfügung gestellt wird die Brachfläche am Arberger Hafendamm 17 von Bremenports. Alle zwei Jahre muss der Nutzungsvertrag verlängert werden. Derzeit warten die Bay-Watch-Macher*innen auf das Okay, damit sie im September weitermachen können. Eine positive Resonanz gab es schon mal vom Hemelinger Beirat, der im Juni für die Verlängerung gestimmt hat.

Das sozio-kulturelle Projekt für Kultur, Kunst und Gartenbau stehe für die Vielfalt im Stadtteil. Voraussetzung sei, dass die Abstände zu den Nachbarn eingehalten und die Rettungswege freigehalten werden, heißt es dazu in einer Mitteilung vom Hemelinger Ortsamtsleiter Jörn Hermening. „Es wäre schön, wenn das Projekt als Treffpunkt im Ortsteil weiter bestehe bliebe“, sagt auch Silke Lüerssen vom Hemelinger Ortsamt. Anfangs sei es nur für einen Zeitraum von zwei Jahren geplant gewesen, habe sich aber im Laufe der Zeit etabliert.

Der Weg zum Bay-Watch-Gelände eröffnet sich nicht auf den ersten Blick. Immer den Arberger Hafendamm entlang. Irgendwann geht es nicht weiter. Vor einem die Weser. Links werden Luxusjachten gebaut, rechts ist ein großer Baustoffkonzern ansässig und ein Feldweg führt direkt am Wasser entlang. Am Durchgang der erste Hinweis auf Bay-Watch. Und siehe da. Wer dem Weg folgt, der steht auch schon mittendrin zwischen Bretterbuden, Bühne, Werkstatt, Kunst und Kitsch. Es gibt eine Videothek und Bücherei, Kochgelegenheit, Sitzecken draußen wie drinnen, ein Puppentheater und ein Klavier. In den Gewächshäusern gedeihen Gurken, Tomaten, Zucchini und anderes Gemüse. Direkt am Ufer kann man es sich im Lounging-Bett mit Blick auf die Weser gemütlich machen. Und die „Kompost-Toilette“ thront oben auf einem Holzanbau. Mitmachen kann hier jeder. Derzeit ist es ein fester Kern von neun Leuten, die sich in dem Projekt engagieren. Darunter Künstler, Handwerker und Gärtner.

„Wir sind für alles offen“, sagt Till Bohn. Wer Ideen habe, könne gerne kommen und mitarbeiten. Hier lasse sich vieles umsetzen. Der 32-Jährige gehört wie Marie Werding zu den Gründungsmitgliedern. Beide wohnen in der Neustadt und erfuhren über Freunde von dem Projekt. „Ich fand die Idee reizvoll, einen Ort, wo nichts ist, neu gestalten zu können“, sagt die 26-jährige Mechatronikerin. „Alles, was es hier gibt, haben wir selbst entwickelt, gebaut oder gebastelt.“ Aus Abfallholz, recycelten Materialien und Flohmarktartikeln hat sich so eine bunte Insel im sonst eher tristen Gewerbegebiet entwickelt. „Es ist ein ständiges Kommen und Gehen“, sagt Till Bohn. „Irgendwann werden die Sachen wieder abgebaut und etwas anderes entsteht neu.“ Wer sich gern am Projekt beteiligen möchte, soll einfach vorbeikommen. Am besten am frühen Abend. Dann sei ziemlich sicher, dass man jemanden vor Ort antreffe.

Ins Leben gerufen wurde Bay-Watch von André Sassenroth und Ingo Kindermann als Projekt für experimentelle Architektur, Permakultur und Kunst im öffentlichen Raum. Beide begeisterten sich für experimentelle Architektur. Gemeinsam planten sie, einen Ort dafür in Bremen zu schaffen und suchten den Kontakt zur Bremer Zwischenzeitzentrale, die Konzepte für Zwischennutzungen von leer stehenden Gebäuden und ungenutzten Flächen entwickelt und begleitet. Das Areal am Arberger Hafendamm schien perfekt und wurde schon bald zum Treffpunkt für Kunst- und Baukulturinteressierte. André Sassenroth – damals noch Student der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig – machte Bay-Watch zum Thema seiner Meisterschülerarbeit und dokumentierte die ersten zwei Jahre in einem Buch.

Infos auch auf ZZZ – ZwischenZeitZentrale Bremen, Zum Sebaldsbrücker Bahnhof 1, (Wurst Case), Telefon 69 58 126 oder www.zzz-bremen.de.  (c) Weser Kurier, BTAG, Bremer Tageszeitungen AG, 23.07.2018