Städte bringen Bremen auf gute Ideen
Eintrag von am 25.08.2018
Bremen. Zweieinhalb Jahre lang haben sich zehn europäische Städte intensiv über Modelle zur Zwischennutzung von Leerstand ausgetauscht. Bremen war dabei. Wie kann Zwischennutzung neue Impulse für städtische Quartiere setzen? Wie lassen sich benachteiligte Gruppen einbinden? Welche Methoden und Instrumente versprechen die meisten Erfolge? Darüber diskutierten die Teilnehmer ausgiebig in Arbeitsgruppen. Sie nahmen nicht nur viele neue Ideen und Anregungen mit nach Hause. Einige Projekte aus den Partnerstädten wurden wie in Bremen bereits erprobt. „Es hat richtig was gebracht“, bilanzierte am Freitag Thomas Lecke-Lopatta, Planer im Bauressort.
Bremer Vertreter aus Politik, Verwaltung und Organisationen hatten zahlreiche Projekte in den anderen Städten besichtigt. Im Gegenzug sahen sich ausländische Delegationen in Bremen um. „REFILL“ heißt das Austauschprogramm, das mit EU-Mitteln finanziert wurde und im Mai zu Ende ging. Zeit also, ein Resümee zu ziehen, sagte sich die Bremer ZwischenZeitZentrale (ZZZ) – und lud in die frühere Tabakwarenfabrik Brinkmann ein.
Dort könnten sich demnächst neue Möglichkeiten für Zwischennutzer auftun. Projektentwickler Justus Grosse hatte das Brinkmann-Gelände in Woltmershausen gekauft, will dort unter anderem 1200 Wohneinheiten schaffen. Bausenator Joachim Lohse (Grüne) sagte am Freitag, das Unternehmen sei bereit, Räume für Zwischennutzungen zu öffnen. Bislang werde das Areal kaum öffentlich wahrgenommen, „ein blinder Fleck in der Stadt“, dies könne sich mit dem Einzug junger Leute ändern, so Lohse. Zuvor müssten aber ein Rahmenplan erstellt und die Altlastenfrage geklärt sein.
Zurück zu REFILL: Aktiv wurden dabei nicht nur Städte, die langjährige Erfahrungen mit Zwischennutzung haben wie Nantes, Gent oder Amersfoort, hieß es. Am Programm beteiligten sich auch europäische Städte, die diese Methode der Stadtentwicklung gerade erst entdeckt hatten wie Cluj (Rumänien) und Ostrava (Tschechien). Alle wollten voneinander lernen. In Athen habe ein Kioskprojekt auf dem Zentralmarkt beeindruckt, berichtete Lecke-Lopatta. Das einst leer stehende Gebäude werde als Treffpunkt und „digital urban lab“ intensiv genutzt. Ähnlich wie beim Kiosk gibt es auch in Gröpelingen ein Angebot an alle Interessierten, digitale Techniken und Instrumente zu nutzen.
Die Stadt Nantes hatte mit einer Problematik wie in Bremen zu kämpfen, schilderte Lecke-Lopatta. Die Werftenkrise. Viele Flächen lagen brach, Pläne zur Umwandlung scheiterten. Schließlich wurden alte Hallen an kleine Firmen, Künstler und Start-ups für befristete Zeit günstig vermietet. Ein gut funktionierendes Existenzgründer-Projekt, lobte der Bremer Planer. Es habe auch deswegen Erfolg, weil die Stadt schrittweise und flexibel, „ohne Masterplan“, vorgegangen sei. Dass sich die Herausforderungen für die Verwaltung ändern, ist für ihn eine weitere Lehre aus dem REFILL-Programm: Diese müsse einen Rahmen für neue Initiativen schaffen, ihnen quasi „die Erlaubnis geben, kreativ zu sein“.
In Riga, Bremens Partnerstadt, sei Zwischennutzung inzwischen von einem Nischenprojekt zu einem Teil offizieller Stadtpolitik geworden. Das holländische Amersfoort unterstütze Projekte wie die „Essbare Stadt“ – auch in Bremen gebe es derartige Initiativen, so Lecke-Lopatta. Im belgischen Gent habe den Besuchern besonders die Belebung einer ehemaligen Stadtbibliothek imponiert. Für etwa ein Jahr biete dort eine „Kreativszene“ Konzerte oder Ausstellungen, weitere Nutzer, auch Geflüchtete, seien dabei. Die Stadt habe sogar eine Küche gestellt, damit angehende Gastronomen ihre Konzepte erproben könnten, bevor sie den Schritt in die Selbstständigkeit wagten. Ähnlich wie beim Projekt in Gent soll in Bremen bald ein leer stehendes Gebäude auf dem Gelände des St.-Jürgen-Krankenhauses genutzt werden. Im ehemaligen Schwesternwohnheim hatten Flüchtlinge gewohnt, die jetzt ausgezogen sind. Für etwa neun Monate möchte die Stadt dort mehrere unterschiedliche Nutzergruppen ansiedeln. Ziel ist ein sogenanntes urbanes Labor. Das soll Raum nicht nur für kulturelle Aktionen bieten, sondern beispielsweise auch für Aus- und Weiterbildung oder Nachbarschaftstreffen. Bislang gab es keine geeignete Immobilie, um einen solchen Ansatz zu testen, heißt es.
Senator Lohse hatte mit der Bremer „REFILL“-Delegation Projekte in Athen besucht. Zwischennutzung sei wichtig für Städte, so könnten brach liegende Flächen urban aufgewertet und junge Leute gehalten werden. Bremen verliere viele 25- bis 35-Jährige, die sich nach dem Studium eine berufliche Existenz aufbauen wollten, so Lohse. Damit solche Existenzgründer bleiben, brauche es die ZwischenZeitZentrale. Sie helfe jungen Kreativen bei Behördengängen, sei Vermittler wie Katalysator. „Wir brauchen sie als Lotsen und ebenso eine freundlich gesonnene Verwaltung.“
Die ZZZ wird ressortübergreifend getragen und gefördert. Beteiligt sind die Senatoren für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, für Umwelt, Bau und Verkehr, für Kultur und für Finanzen. (c) Weser Kurier, Bremer Tageszeitungen AG, 25.08.2018
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