ZwischenZeitZentrale Bremen

Man muss sich zeigen

Eintrag von am 10.07.2017

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Hemelingen. Das Erste, was Besuchern auffällt, wenn sie Yasemin Tertemiz' Büro im Wurst-Case, dem ehemaligen Verwaltungsgebäude der Könecke-Fleischwarenfabrik am Sebaldsbrücker Bahnhof, betreten, ist wohl das einnehmende und strahlende Lächeln der jungen Frau mit den dunklen kurzen Haaren. Vom zweiten Stock aus betreibt die hauptamtliche Feuerwehrfrau nebenberuflich die Eventagentur Lony-Event.

Im Büro hängen wabenförmige Notizzettel, auf denen noch zu erledigende Aufgaben für eine Messe im Herbst stehen. Ein kleiner Kühlschrank summt leise auf einem Regal vor sich hin, und auf einer kleinen Sofagruppe können es sich Besucher bequem machen. Und wenn Yasemin Tertemiz von ihrer Agentur spricht, dann ist die Leidenschaft für dieses Projekt zu spüren. Und diese Leidenschaft – das ist wohl das Zweite, was Besuchern auffällt. „Ich mache immer das, was ich liebe“, sagt Yasemin Tertemiz, die neben ihrem Hauptberuf und ihrer Agentur auch Familie gegründet hat. „Mit der Agentur habe ich mein Hobby zum Nebenerwerb gemacht.“

Die junge Frau hatte dabei einige gesellschaftliche Widerstände zu überwinden. „Ich erfülle eigentlich alle Merkmale: Ich bin klein, habe einen Migrationshintergrund, bin homosexuell, eigentlich fehlt nur noch, dass mir ein Bein fehlt.“ Sie sei es daher gewohnt, sich durchbeißen zu müssen. Unterstützung erfuhr sie durch ihre Verwandten. „Die Familie hat es akzeptiert.“ Einzig der Vater habe Sorge gehabt, dass er keine Enkel bekommen würde. „Inzwischen hat er drei“, lacht Yasemin Tertemiz, die gemeinsam mit ihrer Frau vor wenigen Wochen nach ihrem ersten Kind noch ein Zwillingsgeschwisterpaar bekommen hat.

Aufgewachsen ist die 34-jährige Habenhausenerin in Tenever. Ihre Liebe, so sagt sie, gilt aber der ganzen Stadt Bremen. „Und ich bin Werder-Fan“, ergänzt sie noch. Der Besuch der Gesamtschule Ost sei noch eher durchwachsen gewesen, „ich war stinkendfaul“, gibt Yasemin Tertemiz unumwunden zu. „Dann habe ich aber eine Ausbildung gemacht, zu der ich richtig Bock hatte: Rettungsdienst.“ Bremenweit sei sie auf Rettungsfahrzeugen im Einsatz gewesen. „Richtig anstrengend.“ Aber: „Der Dienst am Menschen, das ist das Schönste, was man machen kann.“ Später landete die junge Frau nach einem Jobangebot in der Schweiz. „In Zermatt in Wallis, ein Dorf, wo der Weihnachtsmann leben könnte.“

Und eigentlich wollte sie auch mit ihrer neuen Liebe, ihrer jetzigen Frau, dorthin ziehen. Eine Bewerbung bei der Feuerwehr Bremen schmiss die Pläne um. „Der Teufel ist ein Eichhörnchen, die haben mich gleich genommen.“ Seitdem arbeitet sie im Schichtdienst bei der Berufsfeuerwehr in der Wache-Nord in Bremen-Aumund.

Angefangen hat die Lust am Planen und Organisieren mit einer kleinen Party im Bereich der alternativen Techno- und Elektroszene in Bremen. Inzwischen hat Tertemiz dieses Organisieren auf eine neue, professionellere Ebene gehoben. „Ich habe im Fernstudium mit Abschluss Eventmanagement gelernt.“ Im November steht die von ihr geplante Messe „Stadtzwerg“ in den Bremer Messehallen an, eine nächtliche Erleuchtung. „Ich habe davon geträumt, eine Kindermesse zu veranstalten, und jetzt ist es so weit!“, sagt Yasemin Tertemiz. „Ich freue mich mega darauf, ich brenne dafür.“

Es soll eine Messe für Eltern, Großeltern und werdende Eltern werden, die sich dort nicht nur mit Kinderbedarf eindecken können, sondern sich auch beraten lassen können. „Die Leute sollen einen Mehrwert haben“, erklärt Tertemiz das Konzept. Als Beispiel nennt sie Hebammen, die das richtige Wickeln zeigen, oder Fotografen, die erklären, wie man für wenig Geld selbst Babyfotos machen kann. „Denn Babyfotos sind sehr teuer und nicht jeder kann sich das leisten.“ Auch im Wurst-Case hat sie schon eine Ausstellerin gefunden: Tini Emde, die ihr Büro im selben Flur hat, wird auf der Messe einen Teil ihrer Kunstwerke und Illustrationen vorstellen und anbieten.

Auf das alte Verwaltungsgebäude in Hemelingen, das Sitz der ZwischenZeitZentrale (ZZZ) ist, die Atelier- und Büroräume an Künstler, Kleingewerbetreibende und Musiker vermietet, wurde Yasemin Tertemiz durch einen Fernsehbericht aufmerksam. „Ich brauchte für die Agentur ein externes und vor allem kostengünstiges Büro.“ Der Platz zu Hause wird mit drei Kindern inzwischen knapp. Besonders wichtig sei ihr aber auch die Möglichkeit des Kontakte knüpfens gewesen. „Das Vernetzen hier klappt wunderbar.

Nebenan ist Tini, die auf der Messe ausstellt, den Flur runter sitzen die Leute von Uberspace, die sich regelmäßig um meine PC-Probleme kümmern.“ Man trinke Kaffee zusammen, rede viel.

„Netzwerk ist alles“, ist sich Yasemin Tertemiz sicher. „Ich würde jedem Unternehmen, jedem Start-up raten, auf jede Veranstaltung zu gehen – das ist unerlässlich.“

Unterstützung gebe es auch durch die Wirtschaftsförderung Bremen (WFB). „Bremen hat viel Potenzial, aber man muss sich schon durchschlagen.“ Und gerade Behörden seien manchmal eher unflexibel. „Aber man muss dann den Mund aufmachen und zeigen, dass es einen gibt!“ Und das hat Yasemin Tertemiz gelernt.

Weitere Informationen zur Messe „Stadtzwerg“ gibt es auf www.stadtzwerg.de. Eventagentur finden Sie auf www.lony-event.de.
(c) Bremer Tageszeitungen, 2017, Foto: Petra Stubbe, Text von Christian Hasemann, Text Weser Kurier vom 03.07.2017