Aufstieg und Fall der Station Neu-Blumenthal
„Jetzt ist es geradezu notwendig, dass man soziale Brennpunkte nicht über Kultur belehrt und hübsch unterhält, sondern dass die Kultur eine belebende Wirkung ausübt und der Brennpunktzusammenhang dem Kulturbetrieb etwas zurückgibt, was er so dringend brauchen kann.“ (Mirko Borscht, Stationsleiter Neu-Blumenthal)
Im März 1885 gründete der Blumenthaler Kapitän Eduard Dallmann zusammen mit dem deutschen Kaufmann und Ethnologen Otto Finsch im inoffiziellen Auftrag der Deutschen Reichsregierung die Station Blumenthal an der Ostküste Neuguineas. Der Ort sollte zur Handelsstation ausgebaut, die Bevölkerung „kultiviert“ werden, um als Teil der deutschen Schutzgebiete dem Reich als Kolonie zu dienen. Ausgehend von diesen historischen Ereignissen soll eine seltsam überspitzte Wiederkehr der Vorgänge inszeniert werden: die Errichtung einer Kunstkirche auf dem Blumenthaler Markplatz, bewohnt von Missionar/innen der Hochkultur, bereit die „edlen Wilden“ Blumenthals zu missionieren, kultivieren, motivieren. So wie es im damaligen Neuguinea eine Unzahl verschiedenster Stämme mit eigenen Sprachen, Ritualen und Gesellschaftsmodellen gab, meist strikt voneinander getrennt und/oder gar feindlich gesinnt, so findet man im heutigen Blumenthal (überspitzt formuliert) eine ähnliche Situation: Von parallelen Gesellschaften ist genauso viel die Rede wie von steigender Kriminalität, vor allem aber davon, dass früher alles besser war, und sicherer und schöner, dass es Arbeit gab und Wohlstand und Kultur. Es wird Auseinandersetzungen geben (müssen). Wie stark ist der Glaube der Künstler/innen an die Kultur, durch die sie sich definieren? Wird ihre Vorstellung von Kultur dort gar gebraucht? Oder gewollt? Oder befinden sich die Missionar/innen der Kunst in einer reinen Dienstleistungsfunktion, in der Rolle von Hofnarren und Pausenclowns, die auch wieder nur Spielbälle höherer Mächte sind, namentlich der deutschen Kulturpolitik? Es wird regelmäßig künstliche Andachten und Messen geben, Konzerte, Theater, Performances, Installationen, szenische Lesungen. Vor allem aber will die Station eine Begegnungsstätte sein, eine Anlaufstelle für alle „Stämme“ Blumenthals, egal welchem sozialen und kulturellen Prägedruck sie entstammen.
Inbesitznahme: 7. Mai 2018 (Eröffnung um 18 Uhr)
Tag der offenen Fragen: 9. Juni 2018 (parallel zu La Strada)
Abzug: 16. Juni 2018
Stationsvorstand: Mirko Borscht, Irene Kleinschmidt, Farhad Taghizade
Stationsdesign: Christian Beck Stationsgebäude: Elisa Limberg für Novoflot Stationstracht & Merchandising: Elke von Sivers Stationsdiakonin & Kulturanthropologin: Natalie Driemeyer
Kolonialpartner/innen: Quartiersmanagement Blumenthal, ZZZ – ZwischenZeitZentrale, Quartier gGmbH, Ortsamt Blumenthal
Diskursprogramm: in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung Bremen
Filmprogramm: in Kooperation mit dem Filmbüro Bremen
Dank an die Gruppe Novoflot für das Leihen des Stationsgebäudes und an den Beirat Blumenthal für die finanzielle Unterstützung
Zeitraum
27.04.2018 - 22.06.2018
Kontaktdaten
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