ZwischenZeitZentrale Bremen

ZZZ und Zwischennutzung in Bremen

Eintrag von am 23.05.2011

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Seit gut einem Jahr bringen Oliver Hasemann und Daniel Schnier leer stehende Häuser und Menschen mit Ideen zusammen und erkunden dabei das Potenzial für ein neues Instrument der Stadtplanung.

Irgendwann soll das Gebäude Plantage 9 in Bremen-Findorff einer Straße weichen. Bis dahin bietet es 27 Menschen Raum zum Arbeiten. Zwischennutzung kann vieles sein. Und Einige, die sich schon lange mit dem Thema beschäftigen, mögen den Begriff nicht mehr. Denn mittlerweile taucht dieser mehr und mehr im Kontext der Immobilienbranche auf. Dabei verliert die Zwischennutzung ihre Bedeutung als Prozess, bei dem es um das Ausloten der Potenziale eines Ortes, seiner möglichen Nutzungen und der Bedürfnisse der Bewohner geht sowie um Aneignung und Partizipation. Genau dafür aber interessiert sich verstärkt die Politik. Im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik wird derzeit ein Pilotprojekt in Bremen gefördert, das Zwischennutzung als „konzeptionelles Instrument in Stadtentwicklungsprozessen" etablieren soll. Mit der Umsetzung ist die ZZZ - ZwischenZeitZentrale Bremen beauftragt.

Zum Interview treffen wir uns in der Plantage 9, einem ersten Projekt der ZZZ. Oliver Hasemann, Raumplaner, und Daniel Schnier, er hat Architektur studiert, arbeiten seit einigen Jahren an der Schnittstelle zwischen Vermittlung und Inszenierung von Stadt, temporären Nutzungen und Kunst. Sie sind gut verankert in der Kultur- und Kreativenszene Bremens und haben in dem 1600 m2 großen, ehemaligen Gewerbegebäude eine heterogene Gruppe zusammengebracht: Künstler, Grafiker, Fotografen, Fahrradbauer - Menschen, die schon ein florierendes Geschäft haben, andere, die gerade erst eines aufbauen und wieder andere, die einfach nur einen Raum zum Experimentieren brauchen.

Die ZZZ ist ein Pilotprojekt der Nationalen Stadtentwicklungspolitik.

Oliver Hasemann | Es gibt um die 70 Pilotprojekte, nicht nur für Zwischennutzung. Bremen ist die zweite Stadt, wo mit Zwischennutzungen ein Projekt umgesetzt wird. Das andere ist „HausHalten", in Leipzig angesiedelt. Während es dort viel Leerstand in der Wohnbausubstanz gibt, geht es in Bremen um partielle Lücken, um Gewerbeleerstand.

Daniel Schnier | Die Leerstände spiegeln ja auch den tiefgreifenden Wandel der Gesellschaft wider. Wir wollen diese Lücken neu deuten und füllen.

Das, was Sie machen, ist etwas entfernt von der klassischen Rolle des Architekten oder Planers. Wie würden Sie Ihre Rolle beschreiben?

OH | Viel moderierend, erklärend, erläuternd. Es ist nicht weit weg von dem, was ich als Planer machen würde. Wir kennen die Akteure auf der Zwischennutzerseite, verstehen aber auch, wie die Verwaltung tickt. Der Punkt ist, die beiden zusammenzubringen. In Bremen funktioniert es auch nur, weil in der Verwaltung Leute arbeiten, die das vorantreiben wollen. Alle Akteure, die mit Leerständen und Brachen zu tun haben, mit Entscheidungsfindung und Planungsrecht, sind an einem Tisch. Das heißt, es ist für uns relativ einfach, für bestimmte Projekte Genehmigungen einzuholen, bzw. zu wissen, wen man fragen muss.

DS | Wir verstehen uns als die Leute, die Akteure miteinander vernetzen. Wir sind ein bisschen wie eine Telefonzentrale. Letzte Woche rief ein Immobilienmakler an: „Ich habe 1200 m2 Leerstand, Sie helfen doch." Immobilienmakler meiden uns eigentlich wie die Pest, die wollen ja verdienen und Courtagen einnehmen. Und jetzt haben wir nächste Woche einen Termin, unglaublich. 

OH | Wir haben auch Anfragen vom Arbeitsamt bekommen und von der Hundestaffel der Polizei. Die suchen leer stehende Räume, Gelände, Brachen zum Üben.

Das Pilotprojekt ist auf drei Jahre angelegt. Vor gut einem Jahr haben Sie mit der ZZZ die Arbeit aufgenommen. Wieviele Anfragen von Leuten, die Raum suchen, haben Sie seitdem erhalten? 

OH | Weit über 200.

DS | Es gibt ganz unterschiedliche Anfragen. Und das ist es, was Spaß macht. Olli unterhält sich gerne mit Bauern, die Felder suchen, um Blumen auszusähen. Bei mir rufen die HfK-Studenten an, die Räume für ihre Modenschauen brauchen. 

Sie nehmen Wünsche auf, das, was die Leute suchen, auf der anderen Seite finden Sie Räume zur Zwischennutzung. Wie gehen Sie vor?

OH | Der Optimalfall wäre, eine Datenbank von Leerständen zu haben, wo vermerkt ist, wie die Eigentümer drauf sind und welche Wünsche sie haben. Momentan haben wir aber nicht so viele Angebote von privater Seite. Deswegen haben wir jetzt einen Glaskasten in der Stadt installiert, in dem die Eigentümer sehen können, was Zwischennutzer machen,
auch um ihnen die Scheu zu nehmen. Bei den öffentlichen Leerständen schauen wir, welche Zwischennutzungsanfragen wir wo unterbringen können.

Gehen Sie bei der Suche strategisch vor?

DS | Nein, rein gefühlsmäßig.

Sagen wir planerisch?

OH | Doch, auf jeden Fall. Wenn man mit fünf verschiedenen Projektträgern zusammenarbeitet, gibt es unterschiedliche Ideen davon, was mit Zwischennutzungen passieren soll. Wir müssen überlegen, was kann man auf Brachen machen, was kann man in Gebäuden machen, mit welchen Akteuren hat man da jeweils zu tun, was für Möglichkeiten gibt es
für Zwischennutzungen im innerstädtischen Bereich und wie geht man in Stadtteilen vor, die eine schwächere Sozialstruktur haben.

Wo sehen Sie die Grenzen von Zwischennutzung?

OH | Zum Beispiel hat der Stadtteil Blumenthal mit dem alten Bremer Wollkämmerei-Gelände phantastische, alte Hallen, die mehr oder weniger leer stehen und ein Zentrum mit Ladenlokalen, die verwaisen. Die Revitalisierung kann hier mit Zwischennutzungen nur zum gewissen Teil bewältigt werden. Man kann ein paar Anstöße geben. Aber eine Zwischennutzung ersetzt keine ökonomische Basis. Die Läden sind nicht mehr da, weil es einfach keine Leute mehr gibt, die da was kaufen. Man kann den Leerstand kaschieren und in gewissem Maße den Verfall verzögern. Zwischennutzung ist nur ein Nagel von Hunderten.

Sehen Sie die Rolle der ZZZ in der Stadtplanung als eine strategische? Schließlich wirken die Entscheidungen, welche Gebäude oder Flächen von welchen Leute genutzt werden, ja auch in den jeweiligen Stadtraum, in das Quartier hinein.

OH | Eigentlich müsste eine Zwischennutzungsagentur an genau diesen Punkten ansetzen. Aber wir sind noch im Versuchsstadium. Durch die Anfragen, die wir haben, entsteht ja erst ein Bild, welche Räume die Stadt braucht und welche Räume die Leute brauchen, die hier aktiv werden wollen.

Fließt dieses Wissen in die Stadtentwicklungsplanung ein?

OH | Noch nicht wirklich. Wirklichen Einfluss hätte die ZZZ, wenn die Stadt oder Investoren dieses Wissen in ihre Planungen einbeziehen würden. Momentan ist das Vorgehen aber noch so, dass eine Fläche, auf der etwas war, erst mal wieder eine weiße Fläche auf dem Plan wird und dann erst etwas Neues. Wenn man Zwischennutzung mit einbeziehen würde, würde man sagen, o.k., das ist jetzt erst mal ein Experimentierfeld für das Zwischennutzen und wir schauen mal, wer gerade Räume sucht. Dann könnten die Räume, die gerade frei werden, für die Leute, die gerade auf der Suche sind, eine Zukunft sein. Dann könnte aus der Zwischennutzung eine weiter gehende Nutzung werden. Das Pilotprojekt gibt es nicht zuletzt auch, weil man ein anderes Planungsinstrument ausprobieren möchte.

DS | Sinnvoll wäre es, dass Zwischennutzung integrierter Bestandteil der Planung ist. Und das ist sie eben noch nicht. Man merkt, dass die Stadtplaner eine gewisse Scheu haben vor der Zwischennutzung, weil sie Angst haben, dass sich etwas etabliert, was sie da dauerhaft nicht haben wollen. Eigentlich müssten sie dafür aber offen sein. Es wird immer mehr Bürgerbeteiligung propagiert, man will immer mehr Leute mit einbeziehen, und dann müsste man auch die Chance zulassen, dass sich Sachen spontan entwickeln.

Fotos: Johanna Ahlert, Björn Behrens, Cosima Hanebeck, Christoph Schiffer
Zeichnung: Johanna Ahlert
www.plantage9.de Die Zwischennutzer von Plantage 9

Bauwelt 21 | 2011 45

ZZZ - ZwischenZeitZentrale Bremen
Oliver Hasemann, Daniel Schnier, Sarah Oßwald, Michael Ziehl
www.zzz-bremen.de
Die ZwischenZeitZentrale ist ein Pilotprojekt im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik von BMVBS und BBSR. Projektträger sind der Senator für Wirtschaft und Häfen in Kooperation mit dem Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa, der Senatorin für Finanzen sowie die stadteigenen Gesellschaften Immobilien Bremen und Wirtschaftsförderung Bremen.

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