ZwischenZeitZentrale Bremen

Überflieger Zimmer frei! Die ZwischenZeitZentrale sorgt für Leben in leer stehenden Immobilien

Eintrag von am 27.01.2011

ueberseemagazin014 8

Wenn ein Haus leer steht, dann steht es leer. Manchmal ein paar Wochen oder Monate, manchmal sogar mehrere Jahre. So kennen wir das. Aber damit ist nun Schluss, denn jetzt lernen Sie Daniel Schnier und Oliver Hasemann kennen. Der Architekt und der Raumplaner leiten gemeinsam mit den Zwischennutzungexperten Sarah Oßwald und Michael Ziehl die ZwischenZeitZentrale (ZZZ) Bremen und initiieren damit die kreative Zwischennutzung von Immobilien und Brachflächen.

Die Idee ist denkbar einfach: „Wir suchen Objekte, entwickeln Zwischennutzungskonzepte, beraten die Eigentümer und gestalten die Nutzung aktiv mit", erklärt Daniel Schnier. „Leerstände sind bei Immobilien keine Seltenheit. Für uns ist dieses Problem eine übergreifende Chance und Leerstände sehen wir als Möglichkeitsräume." Dabei ist die ZZZ selbst auch Zwischennutzerin und zwar in der Überseestadt. Herberge ist das ehemalige Lkw-Abfertigungsgebäude des Zollamtes Hansator. In dem baulich nicht veränderten und nicht sanierten 1960er-Jahre-Bau sind heute noch 14 weitere Selbstständige und Kleinstunternehmer tätig - meist Kreative aus den Bereichen Mode, Design und Webgestaltung.

Aber warum sollte eigentlich ein Immobilien- oder Grundstücksbesitzer seine Flächen für die Zwischennutzung zur Verfügung stellen? Oliver Hasemann kennt diese Frage gut und schmunzelt: „Das Prinzip von vergünstigtem Raum gegen befristete Nutzung ist ideal für kleine Unternehmen, Initiativen und Vereine. Neben der Miete bringen die Nutzer ihre Arbeitskraft, Kreativität, kulturellen Fertigkeiten und sozialen Netzwerke ein. Dabei mindert die kleine Miete das finanzielle Risiko und steigert die Bereitschaft für ganz neue Nutzungsideen. So entstehen nicht selten aus Zwischennutzungen langfristige Mietverhältnisse."
Die ZwischenZeitZentrale ist übrigens ein bundesweites Pilotprojekt der Nationalen Stadtentwicklungspolitik des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Aber damit nicht genug: Regionale Träger sind die Senatoren für Wirtschaft und Häfen sowie für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa und die Senatorin für Finanzen. Zudem zählen die Immobilien Bremen und die Wirtschaftsförderung Bremen zu den Unterstützern. Klingt offiziell? Ist es auch. Die ZwischenZeitZentrale erhielt 2009 nach einer öffentlichen Ausschreibung für eine Zwischennutzungsagentur den Zuschlag.

Daniel Schnier erinnert sich: „Die wesentlichen Anforderungen waren Bremen-Kenntnisse und Erfahrungen mit Zwischennutzung. Darum holten wir Sarah Oßwald und Michael Ziehl mit ins Boot, beide große Experten in dem Bereich. Dennoch rechneten wir uns keine großen Chancen aus." Vor der Ausschreibung veranstalteten Schnier und Hasemann regelmäßige Stadtspaziergänge, bei denen sie die Stadtteile, deren Bewohner und die Architektur vorstellten. Zudem arbeiteten sie beispielsweise 2007 am Künstlerprojekt Sproutbau in Osterholz-Tenever mit. 80 Künstler aus der ganzen Welt initiierten auf 12.000 Quadratmetern in einem leer stehenden Hochhaus einen Monat lang Kunstprojekte. In der Folge entstand die Geschäftsidee einer Zwischennutzungsagentur und die beiden gingen zunächst als Existenzgründer an den Start. Ein Jahr später folgten die Ausschreibung für das Pilotprojekt und der Zuschlag.

Seither hat die ZwischenZeitZentrale schon eine Menge Zwischennutzer vermittelt. Etwa in ein Wohnhaus an der Neuenlander Straße, das bedingt durch den geplanten Bau der Autobahn A281 leer steht. Hier arbeiteten 2010 vier Künstler über mehrere Monate hinweg. Unter dem Titel „Raumkante" setzten sich die Künstler mit den Räumen als einem Ort auseinander, der sich im Übergang von einer ehemals festgelegten Nutzung zu einer noch nicht bestimmten Verwendung befindet. Ein Ort, an dem sich die Grenzen zwischen privat und öffentlich, außen und innen verwischen. Sichtbar wurde dies für Autofahrer durch Installationen an der Außenfassade des Hauses. Ein aktuelles Projekt ist die Bricolage Plantage. In den ehemaligen Geschäftsräumen der Firma Domeyer in der Plantage 9 soll auf 1.600 Quadratmetern ein Kreativzentrum entstehen. 30 Nutzer sind dort bereits eingezogen. Bis zum Sommer 2011 soll ein Verein gegründet werden, der das Projekt auch über die Zwischennutzung hinaus erhalten soll. Oliver Hasemann: „Wir wollen nicht nur Vermittler sein. Vielmehr wollen wir selbst aktiv werden, Menschen aufrufen mitzumachen, ein Netzwerk entwickeln und auf eine gewisse Art Pioniere sein." Auch das aktuelle Leerstandsportfolio der ZZZ ist groß und vor allem abwechslungsreich: Vom 50 Quadratmeter großen Ladengeschäft in der Contrescarpe über die ehemalige Suchtklinik der AWO an der Neuenlander Straße bis hin zur 2005 geschlossenen Justizvollzugsanstalt Blockland. Hinzu kommen Brachflächen in Hemelingen sowie in der Überseestadt, die bis zu 170.000 Quadratmeter Platz bieten.

Doch die Zwischennutzungsexperten denken auch über die rein kreative Nutzung hinaus. So betrachten sie etwa den Leerstand des ehemaligen Kreiswehrersatzamtes in der Falkenstraße als sehr kritisch: „Das Siemenshochhaus wird derzeit aufwändig saniert. Warum ziehen die Mieter nicht geschlossen in das Bundeswehrhochhaus, was eine ähnliche Gebäudestruktur aufweist? Stattdessen sind die Behörden mitten in die 1a-Citylage gezogen, was sicherlich nicht günstig ist", erläutert Daniel Schnier. Aktuell denkt die ZZZ darüber nach einen Online-Leerstandsmelder für Bremen zu etablieren. So könnte jedermann Leerstand auf einer Internetseite veröffentlichen, wodurch die Zwischennutzung künftig eine ganz neue Aufmerksamkeit erfahren würde.

(c) Daniel Günther / überseemagazin.de