Andocken an den Stadtteil
Eintrag von am 19.10.2015
Die Findorffer „Plantage 9" öffnet wieder ihre Türen und zeigt einmal mehr, was in ihr steckt
VON ANKE VELTEN
Findorff·Schwachhausen.Seit mittlerweile fünf Jahren kann man der Plantage 9 beim Wachsen und Gedeihen zusehen. Am Sonntag öffnete die kreative Hausgemeinschaft wieder ihre Türen, um zu zeigen, wer und was alles in ihr steckt. Den ganzen Tag über nutzten Besucher die Chance, einen Blick in die Ateliers zu werfen und mit gut gelaunten „Plantagisten" ins Gespräch zu kommen. Die Adresse ist von einer temporären Bleibe zu einem präsentablen Ambiente für mehr als 30 Künstler, Kreative und Dienstleister aufgeblüht - darunter viele, die sich in ihrem Metier einen guten Namen gemacht haben. Viel Leben also in einem Gebäude, das seit mehr als fünf Jahren hätte leer stehen und verfallen können.
Ole Mollenhauer war auf den Andrang gut vorbereitet. Der „Web-Worker" und Vorsitzende der Mietergemeinschaft empfing Besuchergruppen zu regelmäßigen Führungen durch das Gebäude und machte sie mit den Nachbarinnen und Nachbarn bekannt: Mit den Malern, Designern, Bildhauern, Fotografen, Illustratoren, Musikern und Modeschöpfern, die sich hier Atelierräume und Werkstätten eingerichtet haben, Konzentration und Inspiration finden. Manche darunter sind schon von Anfang an dabei und haben noch den rauen Charme des verlassenen Bürogebäudes miterlebt, so zum Beispiel Bildhauer Klaus Ritzenhoff, Keramikerin Caroline Schwarz und Illustratorin Valeska Scholz. Zu den Alteingesessenen gehören auch Fotograf Björn Behrens oder Fabian Georgi, der dort seine „Manufaktur für Bildpräsentation" betreibt. Nicht mitfeiern konnte Journalist Jonas Ginter, der mit seinen innovativen Filmen „total abgeht", so Mollenhauer: Er war gerade beruflich in den USA unterwegs.
Wer dort Platz gefunden hat, bleibt offensichtlich gerne, freiwerdende Plätze werden im Nu besetzt. „Das Interesse ist groß", sagt Ole Mollenhauer. Glück hatten darum Annalena Bludau, Thorsten Kummerow und Jana Meldau, die sich seit einem guten Jahr einen Raum teilen, um ihren völlig unterschiedlichen Talenten nachzugehen. Musikerin Annalena wohnt im Viertel, probt am Güterbahnhof, wo sie mit Gitarre und Stimme „richtig laut" sein darf, und denkt sich in der Plantage die Texte für ihre melancholischen englischsprachigen Songs aus. Grundschullehrerin Jana, die ebenfalls im Viertel lebt, nutzt die kreative Atmosphäre für ihre künstlerische Arbeit, malt, zeichnet und druckt. Software-Entwickler Thorsten Kummerow aus Schwachhausen tüftelt nach Feierabend mit Computer und filigranem Werkzeug an elektronischen Experimenten. All dies könnte man wohl auch gut zu Hause machen? Alle drei verneinen unisono: Die räumliche Trennung sei wichtig für die Kreativität. „Zu Hause gibt es zu viel Ablenkung", erklärt Thorsten. „Hier finde ich die Ruhe, die ich brauche", sagt Singer-Songwriterin Annalena, die live und mit ihrem Debütalbum schon einige Erfolge vorweisen kann.
Direkt daneben haben es sich Christina Loock und Tini Emde gemütlich gemacht und präsentieren an Wänden und auf Tischen die Früchte ihrer Produktivität. Christinas Stimme dürfte vielen bekannt vorkommen: Sie arbeitet als Moderatorin für Radio Bremen. Aber eigentlich ist sie studierte Designerin mit ganz eigener moderner Handschrift. „Bona Sort" hat sie ihr Alphabet genannt, dessen Lettern sie Schwarz auf Weiß auf Keramik, Glas und Papier druckt. Grafikdesignerin Tini Emde bringt auf ihren Drucken und Geschirren Farbe ins Spiel. Für den Tag der offenen Tür haben die beiden eine Button-Maschine organisiert. Unter dem Motto „Kinder für Kinder" wurden damit Spenden gesammelt, die in Bastel- und Malutensilien für die Flüchtlingskinder am Überseetor investiert werden sollen, erzählt Christina.
Vor fünf Jahren besetzte die Bremer „Zwischen-Zeit-Zentrale" mit dem Einverständnis der Stadt das Bürogebäude an der Plantage 9. Die städtische Wirtschaftsförderung hat seither sichtbar in die Immobilie investiert, und auch die Mieter taten in Eigeninitiative ihr Übriges. Vor drei Jahren gründete die Hausgemeinschaft einen Verein und übernahm das Mietverhältnis. Vom Ablauf der Mietfrist und dem ursprünglich geplanten Abriss des Gebäude spricht hier heute niemand mehr, die Plantage 9 sehe sich mittlerweile als festen Bestandteil des Stadtteils Findorff. „Es war ein spannendes Jahr. Wir haben versucht, verstärkt nach außen zu gehen und uns an den Stadtteil anzudocken", sagt Ole Mollenhauer. „Es hat sich hier unheimlich viel getan."
Mehr Informationen über den Ort des Geschehens gibt es im Internet unter der Adresse www.plantage9.de. (c) Weser Kurier, 2015 Journalistin Anke Velten, Fotograf Roland Scheitz,
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